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15. April 2022 // 09.00 Uhr

„Weil wir volksnah waren“

Dynamos doppelter Aufstiegstrainer Christoph Franke genießt den wohlverdienten Ruhestand im heimischen Idyll. | Foto: Dennis Hetzschold

Interview mit Trainerlegende Christoph Franke zum Traditionstag


Der 6. Dresdner Traditionstag rund um den diesjährigen Vereinsgeburtstag der SG Dynamo Dresden steht unter dem Motto „20 Jahre Regionalliga-Aufstieg – Dynamos Wiederkehr aus der Versenkung“ ganz im Zeichen der Saison 2001/02, an deren Ende endlich der Schritt aus der viertklassigen Oberliga in die Regionalliga gelang.Als damaliger Cheftrainer hatte an diesem, für den Verein so lebenswichtigen Erfolg ein Mann maßgeblichen Anteil: Die Rede ist von Christoph Franke, der mit mehr als vier Jahren nicht nur der Dynamo-Trainer mit der längsten Amtszeit nach der Wende ist, sondern die Schwarz-Gelben in dieser von der vierten bis in die zweite Liga führte.

Wir haben die 77-jährige Trainerlegende in der heimischen Idylle in der Nähe von Chemnitz besucht und mit ihm über diese ganz besondere erste Spielzeit in Diensten der SGD geredet. Darüber hinaus spricht er im Exklusivinterview über seine Freude an seinem heimischen Kleinst-Bauernhof sowie darüber, was er der Sportgemeinschaft zum 69. Jubiläum für die Zukunft wünscht.

Herr Franke, das Wichtigste erst einmal vorab: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie aktuell gesundheitlich? Konnten Sie die mehr als zwei Jahre Pandemie halbwegs unbeschadet überstehen?Bis jetzt hatten meine Frau und ich Glück. Wir haben uns nicht infiziert und sind aus gesundheitlicher Sicht sehr gut über die Runden gekommen.

{media-left}Zum 69. Vereinsgeburtstag und dem damit verbundenen 6. Dresdner Traditionstag erinnert die SGD zusammen mit ihren Fans an einen ganz entscheidenden Moment der Vereinsgeschichte: Den Aufstieg 2002 aus der viertklassigen Oberliga in die Regionalliga Nord. Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an diese richtungsweisende Saison zurückdenken?

Da kommt mir mehreres in den Sinn, das prägend war. Zuerst einmal, dass wir weniger Geld zur Verfügung hatten, als anfänglich angenommen, was mitunter daran lag, dass sich der Sponsor Kinowelt zurückgezogen hat. Einige wenige Sponsoren haben uns dann geholfen, überhaupt über die Runden zu kommen. Der Verein hätte fast in die Insolvenz gehen müssen. Aus sportlicher Sicht ist für mich das erste Saisonspiel in Grimma etwas ganz Besonderes gewesen. Wir kamen ins Stadion rein und wurden von einer schwarz-gelben Wand empfangen. Das war wunderbar. Und dann natürlich auch die Aufstiegsspiele: Sowohl das Entscheidungsspiel um den Staffelsieg in Eisenhüttenstadt gegen Hoyerswerda als auch die beiden Relegationsspiele gegen Hertha II.

Als Sie ihr Traineramt bei Dynamo am 1. Juli 2001 antraten, lag der Verein am Boden. Sportlich nur Mittelmaß in der Viertklassigkeit und finanziell kurz vor der Insolvenz. Warum haben Sie es trotzdem gemacht und was hat sie an der Aufgabe gereizt?

Es gab zu Beginn ein Gespräch mit Herrn Köster (Volkmar, damaliger Geschäftsführer der SGD, Anm. d. Red.) in Siebenlehn und dort hat er sofort, nachdem wir uns hingesetzt haben, gesagt: ‚Herr Franke, ich muss Sie darauf aufmerksam machen: Wir sind pleite.‘ Und da habe ich geantwortet: ‚Na, wir wollen erst einmal anfangen und dann sehen wir, was wir auf die Beine stellen können.‘ Das war der Ausgangspunkt. Gereizt hat mich an der Aufgabe vor allem, dass Dynamo natürlich zu der Zeit weiterhin einen sehr guten Namen hatte. Ich kannte es noch aus meiner Zeit als Spieler bei Lok Leipzig und Chemnitz, mit denen ich in Dresden gespielt habe. Das war eine Hochburg und es war immer etwas los. Ein Verein mit verrückten Fans und einer beeindruckenden Europacup-Tradition – insgesamt ein schlafender Riese, bei dem man etwas aufbauen konnte. Das war der Hauptgrund. Und ich muss dazu sagen, dass ich damals keine Arbeit hatte, weil ich ein Dreivierteljahr zuvor in Chemnitz entlassen wurde. Deshalb war das für mich eine Riesenchance.

{media-right}Wie haben Sie es geschafft, aus den wenigen Mitteln eine Truppe zu formen, die gegen die ambitionierte Konkurrenz direkt um den Aufstieg mitspielt?

Zu Beginn hatten wir nur fünf Spieler. Im Prinzip war im März schon klar, dass ich zusammen mit Sven Köhler als Co-Trainer im Juni in Dresden beginnen würde. Da haben wir uns Dynamos 2. Mannschaft angeguckt und drei bis vier Spieler hochgeholt – darunter beispielsweise Volker Oppitz. Und natürlich haben wir auch versucht, den einen oder anderen aus der bisherigen Mannschaft zu halten. Aber die meisten hatten eben bessere Angebote und sind gegangen. Da wir aber ein halbes Jahr Zeit hatten, konnten wir uns relativ gut auf die kommende Saison vorbereiten. Dazu hatten wir gegenüber rund der Hälfte der Mannschaften, gegen die wir spielen mussten, den Vorteil, dass wir unter professionellen Bedingungen arbeiten konnten. Wir trainierten vormittags und nachmittags, was nicht allen Teams möglich war.

Man lieferte sich bis zum Schluss einen spannenden Meisterschaftskampf mit dem VFC Plauen. Am letzten Spieltag musste im entscheidenden Spiel in Eisenhüttenstadt gegen den FSV Hoyerswerda unbedingt ein Sieg her, um Staffelsieger zu werden. Wie erlebten Sie dieses Entscheidungsspiel vor rund 7.000 Zuschauerinnen und Zuschauern?

Während des Spiels in Eisenhüttenstadt hat man von außen gemerkt, dass alle unbedingt wollen und wir das eigentlich in der Hand haben. Nach der Führung durch Thomas Neubert (68. Minute, Anm. d. Red.) bekommen wir aber kurz darauf auf einmal den Ausgleich (76. Minute, Anm. d. Red.). Daraufhin wurde es natürlich eng, schließlich mussten wir gewinnen. Ich weiß es noch wie heute: Flanke von Linksaußen, Denis Koslov geht im Strafraum hin und trifft nur den Pfosten. Hoyerswerda wehrt ab direkt vor den liegengebliebenen Koslov, der immer noch halb im Liegen den Ball reinhaut (86. Minute, Anm. d. Red.). Und dann machte der eingewechselte Daniel Ziebig kurz vor dem Ende noch das Dritte (88. Minute, Anm. d. Red). Im Bus zurück hat er dann gesagt: ‚Es kam der frische Wind.‘ (lacht)

{media-left}Damit qualifizierte sich die Sportgemeinschaft für die Relegation, in der die Amateure von Hertha BSC warteten. Ein Treffer von Steffen Heidrich im Hinspiel, das 1:0 endete, schaffte eine gute Ausgangslage für das Rückspiel. Welche Erinnerungen an diese Partie haben Sie gegen ambitionierte Berliner?

Das Heimspiel war ausgeglichen und dort hat sich am Ende gezeigt, wie wichtig ein Spieler ist, der schon einmal höherklassig gespielt hat und routiniert ist. Steffen Heidrich hat das Tor ganz abgeklärt gemacht: Er wurde von halblinks angespielt, stand mit dem Rücken zum Tor, dreht sich mit einer Finte und schlenzt den Ball rein. Das war sein Spiel, das er mit dieser Einzelleistung entschieden hat.

Für das Rückspiel fuhren Sie vorher ins Trainingslager nach Kienbaum bei Berlin. Dort gab es eine kuriose Begebenheit die sinnbildlich für die klammen Kassen des Vereins in dieser Zeit steht. Erzählen Sie mal.

Wir sind die Woche nach dem ersten Spiel am Freitagabend nach Kienbaum gefahren, um uns vorzubereiten. Als wir tags darauf dann losfahren wollten, konnten wir nicht raus, weil die Schranke unten blieb. Es stellte sich heraus, dass der Verein die Rechnung aus dem Jahr davor, als dort das Trainingslager gemacht wurde, noch nicht bezahlt hatte. (lacht) Zum Glück war einer unserer Sponsoren mit dabei, der dann die Rechnung beglichen hat, sodass wir doch noch rechtzeitig weiterfahren konnten.

Die Entscheidung fiel im Jahnstadion Berlin, was sich auch rund 10.000 Dynamo-Fans nicht entgehen ließen. Wie war Ihre Gemütslage während des nervenaufreibenden 0:0?

Schon im Vorfeld gab es einen ganz besonderen Moment, als wir auf das Jahnstadion zufuhren. Dort kam uns erst ein einzelner Hertha-Fan mit einer Fahne entgegen, schwenkte diese wild in unsere Richtung. Dann ging es um eine Ecke rum und auf einmal war alles Schwarz-Gelb. Natürlich musste der ‚Kleene‘ mit der Fahne dann ausreißen. (lacht) Das Spiel war eine absolute Abwehrschlacht. Hertha hat gedrückt, aber wir standen richtig gut, haben nichts zugelassen und es am Ende geschafft.

{media-right}Und was für ein Gefühl war es, als der erlösende Schlusspfiff ertönte?

Die Stimmung war natürlich euphorisch. Wir lagen uns wie schon in Eisenhüttenstadt in den Armen, alles jubelte und ‚Siggi‘ Menz (Siegmar, damaliger Manager der SGD, Anm. d. Red.) hat mich hochgehoben. Die Fans kamen von allen Seiten aufs Feld und machten Bambule. Das war einfach klasse und ich erinnere mich sehr gern daran.

Sie haben in viereinhalb Jahren zwei Aufstiege mit der SGD geschafft, zudem waren Sie sehr beliebt. Was glauben Sie, waren die wichtigsten Zutaten für diese Erfolge und Ihre immer noch längste Amtszeit eines Dynamo-Trainers nach der Wende?

Das müssten Sie eigentlich die Fans fragen. (lacht) Ich denke, weil wir volksnah waren und die Zuschauer gesehen haben, wie wir die Mannschaft führten. Das ist angekommen. Und am Ende brauchst du eben auch immer den Erfolg. Sonst ist das alles schön, aber zündet nicht.

Schon zu Ihrer Zeit in Dresden hielten Sie im eigenen Garten unter anderem auch Hasen. Heute haben Sie sich in Ihrer heimischen Idylle mit Ihrer Frau Maria einen Kleinst-Bauernhof mit Hühnern, Tauben, Hasen, Katze und Hund geschaffen. Woher kommt diese Tierverbundenheit?

Erstmal muss ich betonen, dass zu der Zeit, als ich noch Trainer war, meine Frau den Laden hier geschmissen hat. (lacht) Meine Tierverbundenheit kommt sicher daher, dass auf beiden Seiten neben meinem Elternhaus Bauernhöfe standen. Dadurch war ich als Kind eben immer unter Tieren. Ich hatte damals auch schon Tauben, die ich für mein Studium in Leipzig aufgeben musste. Und als dann das Rentenalter immer näherkam, habe ich dort wieder angefangen, wo ich aufhören musste – sogar mit der gleichen Rasse. Das ist alles auch so ein bisschen Nostalgie. Man hat immer etwas zu tun und macht das, was man gerne tut. Deshalb bin ich auch so zufrieden mit dem, wie es gelaufen ist und jetzt noch läuft.

{media-left}Sie sind der SG Dynamo Dresden auch nach Ihrer Karriere immer treu verbunden geblieben – auf der kommenden Mitgliederversammlung im Juni stehen Sie für eine Ehrenmitgliedschaft zur Wahl, die Sie für Ihre Verdienste für die Sportgemeinschaft erhalten sollen. Wie oft sind Sie heute noch bei der SGD, aber auch generell zum Fußballschauen live im Stadion?

Zum Chemnitzer FC, bei dem ich 31 Jahre insgesamt beschäftigt war, gehe ich, wenn möglich, immer zu den Heimspielen. Aber wirklich nur, wenn nichts Privates anliegt. Das Private hat mittlerweile Vorrang. Die Verbindung zu Dynamo halte ich natürlich auch noch aufrecht und habe mir fest vorgenommen, mindestens einmal pro Halbserie mindestens ein Heimspiel anzuschauen. Durch Corona ist das zuletzt aber etwas schwierig gewesen.

Was wünschen Sie der SG Dynamo Dresden zum 69. Geburtstag?

Vor allem erst einmal, dass der Verein die 2. Bundesliga hält und sich dort stabilisiert. Und auf lange Sicht dann mit den Möglichkeiten, die jetzt beispielsweise durch das Trainingszentrum sowie das ganze Umfeld mit dem riesigen Fan-Potenzial vorhanden sind, die Chance zu bekommen, irgendwann mal ganz vorne anzuklopfen.

Vielen Dank für diese interessanten Einblicke und das Gespräch, Herr Franke.

Interview: Marcel Devantier & Danny Graupner

Das gesamte Interview mit Dynamos Trainerlegende Christoph Franke lest Ihr am Samstag im Traditionsspieltags-KREISEL zum Heimspiel gegen Holstein Kiel. Auch zum 6. Dresdner Traditionstag wird wieder das „Zentralorgan“ der Ultras Dynamo Bestandteil des Stadionhefts der SGD sein.

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

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