Teil IV von V der „Themenwoche“ vor der anstehenden Mitgliederversammlung befasst sich mit der Entschuldung des Vereins und der Ablösung des Kölmel-Darlehens.
Der Experte bei der SGD ist dafür zweifellos Hauptgeschäftsführer Christian Müller. Der Diplom-Kaufmann war unter anderem bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) tätig, wo er von 2001 bis 2010 als Geschäftsführer den Bereich Finanzen und Lizenzierung verantwortete. Wir sprachen mit Christian Müller über Lampenfieber und Taxifahren. Er verriet uns, wie es um seinen persönlichen Draht zu Dr. Michael Kölmel bestellt ist und der 50-Jährige erklärte uns, was Schulden mit Vertrauen zu tun haben.
{media-left}Herr Müller, wann haben Sie das letzte Mal bei jemandem Schulden gemacht?
(lacht) Ich hoffe, dass ich den Leumund unseres Vereins bei der Zunft der Dresdner Taxifahrer jetzt nicht endgültig ruiniere. Vor ein paar Wochen bin ich in ein Taxi gestiegen und habe in dem Moment nicht daran gedacht, ohne Bargeld unterwegs zu sein. Man verlässt sich ja gern auf seine Kreditkarte. Die nützte dem Taxifahrer aber nichts, und ich steckte in der Klemme, weil keine Zeit war, noch bei einer Bank vorbeizufahren. In diesem Moment hat mir der Fahrer Vertrauen entgegengebracht. Er ist am nächsten Tag bei mir im Büro vorbeigekommen und hat sich das Geld abgeholt.
Noch zwei Tage bis zur Mitgliederversammlung – wann setzt das Lampenfieber ein?
Das eigentliche Lampenfieber kommt immer erst kurz bevor man die Bühne betritt. Da geht es mir wohl wie den meisten von uns, wenn man vor mehreren Hundert Leuten sprechen soll, geht unmittelbar vorher der Puls hoch. Aber das legt sich dann auch recht schnell wieder. Und natürlich stehe ich unter einer gewissen Anspannung, weil auf der Mitgliederversammlung viele für den Verein überaus wichtige Themen besprochen und richtungsweisende Entscheidungen gefällt werden. Ich hoffe, dass alle anwesenden Mitglieder sich konstruktiv in diese Themen einbringen und die in manchen Punkten bisher noch sehr gegensätzlichen Auffassungen offen, aber mit gegenseitigem Respekt diskutiert werden.Die Agenda ist gesetzt, es gibt eine Reihe großer Themen. Welches ordnen Sie ganz oben ein?
Am Samstag ist die Wahl der neuen Aufsichtsratsmitglieder der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung. Aber auch der Diskussion zu einem möglichen Gang vor das Oberlandesgericht Frankfurt wird viel Bedeutung zukommen. Das Stimmungsbild auf der Mitgliederversammlung wird für die Entscheidung über das weitere Vorgehen, die bis zum Ende des Monats ja getroffen sein muss, sehr viel Gewicht haben. Und man darf nicht vergessen: Wir haben die große Chance, uns als „einiger“ Verein zu zeigen.
Mit Blick auf die „Themenwoche“, in die sich dieses Gespräch einordnet: Ist die weitere Entschuldung des Vereins aus Ihrer Sicht die wichtigste Herausforderung, die sich Dynamo Dresden in den kommenden Monaten und Jahren stellt?
Ich würde es anders ausdrücken. Die Entschuldung des Vereins ist die Aufgabe schlechthin für uns. Denn damit hängen letztlich alle anderen Herausforderungen zusammen.
Was bedeutet „Entschuldung“ genau?
Betriebswirtschaftlich gesprochen bedeutet Entschuldung, dass man das negative Eigenkapital immer weiter verringert. Das Eigenkapital errechnet sich ganz simpel aus den Schulden auf der einen Seite und den Werten, Vermögen genannt, auf der anderen Seite. Wenn Sie ein Haus bauen und dafür einen Bankkredit über eine Million Euro aufnehmen, dann haben Sie bei der Bank zwar eine Million Euro Schulden. Aber Ihr Eigenkapital ist davon nicht berührt, denn Sie haben das Haus als Gegenwert. Dynamo Dresden hat immer noch etwa 700.000 Euro negatives Eigenkapital. Das hängt ganz wesentlich damit zusammen, dass der Verein nicht sehr viele Werte in der Hinterhand hat. Deshalb sollte man Entschuldung immer auf zweierlei Art betreiben: Mit erwirtschafteten Überschüssen Schulden verringern, und mit der einen oder anderen richtigen Weichenstellung Werte schaffen.
{media-left}Das mit den Überschüssen funktioniert schon sehr gut, das Ergebnis des letzten Geschäftsjahres ist zum dritten Mal in Folge positiv. Warum schafft es Dynamo auf einmal, solide zu wirtschaften?
Auch darauf kann die Antwort sehr einfach ausfallen: Wir dürfen einfach nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. In der 2. Bundesliga ist die Einnahmesituation relativ gut. Auch wenn sie aufgrund der besseren Platzierung und den damit verbundenen höheren Fernseheinnahmen in der ersten Zweitliga-Saison besser war im letzten Jahr.
Ist die Konsolidierung also in Sicht?
Die Konsolidierung der SGD ist längst im Gange, aber dieser Prozess ist langwierig. Bis der Verein wirklich konsolidiert ist, also finanziell gut aufgestellt ist, wird der Rasen in unserem Stadion allerdings noch einige Male gemäht werden. Denn dafür muss Dynamo erst einmal positives Eigenkapital geschaffen haben und sich zusätzlich in einer guten Einnahmesituation befinden, sprich, in der 2. Bundesliga etablieren.
Ein gutes Stichwort! Was halten Sie denn von der These, dass zur langfristigen Gesundung auch ein Abstieg in die 3. Liga hinnehmbar wäre, wenn man sich dann zu 100 Prozent auf die Nachwuchsarbeit konzentriert?
Ich halte das für naiv. Erstens glaube ich, dass ein Großteil des Dresdner Publikums guten und schönen Fußball sehen will. Schon von daher ist der Unterschied zwischen zweiter und dritter Liga schlicht zu groß. Was den Fußball in Dresden ganz wesentlich ausmacht, die hohen Zuschauerzahlen und die phantastische Stimmung bei unseren Heimspielen, würde in der 3. Liga auf Dauer gefährdet sein. Dynamo Dresden war historisch bedingt sehr lange ein Ausbildungsverein. Ich sage bewusst, war. Denn diese Identität, dieses Selbstverständnis und auch diesen Ruf, ein Ausbildungsverein zu sein, müssen wir erst Stück für Stück wieder schaffen. Aus meiner Sicht befindet sich der Verein auf einem guten Weg dahin. Eines muss man dabei festhalten: Nachwuchsarbeit kostet viel Geld, wenn der Nachwuchs hochklassig spielen soll. Wir wollen das ausdrücklich und deshalb investieren wir in unsere Nachwuchsarbeit. Bei einem Abstieg müsste man dort also spürbare Abstriche machen, wodurch sich der Rückstand zu anderen Vereine erhöhen würde statt sich zu verringern.
Sie sagten, Entschuldung ist die wichtigste Aufgabe, die mit vielen Themen zusammenhängt. Insbesondere mit dem Kölmel-Darlehen. Sie kennen Michael Kölmel seit mehr als zehn Jahren. Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesprochen?
Erst vor zwei Wochen haben wir miteinander telefoniert.
Worum ging es?
Es ging um das Darlehen. Ich habe Michael Kölmel angerufen, weil ich mit ihm über die anstehende Rückzahlung sprechen wollte...
{media-right}Das Darlehen läuft am 30. Juni 2015 aus. Was bedeutet das für Dynamo?
Im Prinzip, dass der Verein an Herrn Kölmel sein Geld bis dahin zurückzahlen muss. Aber was eine Verlängerung des Darlehens anbetrifft, bin ich sehr zuversichtlich. Der springende Punkt ist, dass diese Verlängerung für Dynamo gar nicht erstrebenswert ist. Denn die Schulden, die der Verein bei Michael Kölmel hat, sind sehr teuer. Neben den Zinsen, die auf das Darlehen anfallen, zahlt Dynamo jedes Jahr zehn Prozent der Fernseheinnahmen an ihn. Wir sprechen hier über ungefähr eine halbe Million Euro, je nachdem, wo Dynamo in der Tabelle steht. Nur wenn das Darlehen abgelöst ist, bleiben diese zehn Prozent bei uns.
Um das Darlehen abzulösen und die Fernsehrechte zurückzukaufen, muss Dynamo acht Millionen Euro stemmen, vielleicht mehr. Wie soll das gehen?
Indem wir neue Gläubiger gewinnen. Es gibt da verschiedene Modelle, zum Beispiel eine Fananleihe oder ein klassischer Kredit zu deutlich günstigeren Konditionen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das Geld aufbringen, Voraussetzung dafür ist aber, dass Vertrauen in unsere Arbeit besteht, Kontinuität einsetzt und die Leute sehen, dass bei Dynamo an einem Strang gezogen wird.
Nochmal – die Schulden bei Herrn Kölmel sollen durch Schulden bei anderen Gläubigern abgelöst werden…
… um die Kosten für die Finanzierung, d.h. Zinsaufwand und entgangene Fernsehgelder, deutlich zu senken. Das hilft uns wirtschaftlich und bringt uns Handlungsspielräume zurück.
{media-left}Anderes Thema: Was halten Sie von der Ausgliederung des Profibereichs in eine Kapitalgesellschaft?
Wenig. Ich sehe für Dynamo Dresden tolle Chancen - auch weiterhin in der Rechtsform des eingetragenen Vereins. Wer mich kennt, der weiß, dass ich viele Sympathien für sportlich und wirtschaftlich erfolgreiche Vereine wie Union Berlin, St. Pauli oder Freiburg, Mainz und Stuttgart hege. Es mag altmodisch klingen, aber für mich ist der klassische Verein nach wie vor der beste Ort, um Sport zu treiben. Auch Profifußball muss ein öffentliches Gut bleiben, an dem jedermann als Mitglied teilhaben kann, um so seine Verbundenheit mit dem Club und der Stadt auszudrücken.
Was machen Sie am Sonntag?
Um 6:54 Uhr geht mein Zug nach Hamburg. Dort werde ich als Redner auf einem Kongress des „HSV Supporters Club“ sprechen. Beim HSV diskutiert man Chancen und Risiken einer Ausgliederung des Profibereichs in eine Kapitalgesellschaft. Ich spreche über „Financial Fair Play“ und weshalb die 50+1-Regel und das Reglement der UEFA ein gut funktionierendes Regelwerk gegen Finanzdoping durch Milliardäre sind, vorausgesetzt, die Regeln werden auch durchgesetzt...
Dann grüßen Sie die Dynamofreunde Hamburg!
Das werde ich machen.
Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.