Er war einer der meistverehrten Fußballer aller Zeiten und stand auch nach seiner aktiven Karriere stets im Fokus der Öffentlichkeit. Der Tod von Diego Armando Maradona hat die gesamte Fußballwelt tief getroffen, weil einer der Größten dieses Sports bereits mit 60 Jahren gestorben ist.Dynamos Co-Trainer Heiko Scholz hatte im Jahr 1988 das Glück mit dem Ausnahmekönner in zwei Partien gemeinsam auf dem Platz zu stehen, als der 1. FC Lokomotive Leipzig im Europapokal der Pokalsieger auf den SSC Neapel traf.
Im Interview erinnert sich „Scholle“ an diese ganz besonderen Momente seiner Karriere zurück, als er den argentinischen Wunderfußballer in Manndeckung nahm – oder besser gesagt: Es versuchte.
Was war dein erster Gedanke, als du vom Tod von Diego Maradona gehört hast, „Scholle“?
Ich habe kurz vor dem Anstoß unseres Spiels gegen Unterhaching die Nachricht erhalten, da war ich schon so im Spieltagsmodus, dass es dann ein paar Minuten gedauert hat, bis die Nachricht bei mir vollends ihre Wirkung entfalten konnte. Es ist ein ganz Großer unseres Sports, meiner Meinung nach der Größte aller Zeiten, schon mit 60 Jahren von uns gegangen. Das macht einen dann auch sehr nachdenklich.
Du hattest das Glück, dass du selbst zweimal mit ihm auf dem Platz stehen durftest. Welche Erinnerungen verbindest du mit den beiden Duellen mit Lok Leipzig gegen den SSC Neapel?
Auf diese beiden Spiele gegen Diego Maradona bin ich schon ein bisschen stolz, denn dieser Spieler wurde zu dieser Zeit von der ganzen Welt bewundert. Und auch wir in der DDR haben natürlich seine Auftritte vor allem im Trikot der argentinischen Nationalmannschaft aufgesogen. Überall, wo dieser Ausnahmespieler mit dem Ball entlang gedribbelt ist, waren das herrliche Ereignisse. Diesen Spieler wollte man einfach Fußballspielen sehen.
{media-left}Welchen Auftrag hattest du damals als Mittelfeldspieler gegen den SSC Neapel?
Zusammen mit meinen Mitspielern sollte ich in beiden Duellen dafür sorgen, dass Diego sich nicht wie gewohnt entfalten kann. Oder sagen wir es besser so wie es war: Ich habe es versucht und war stets bemüht. (lacht) Maradona war ein echter Sportsmann, der dir auch nach einem ekligen Foul die Hand gegeben hat. Und er hatte sicher einige blauen Flecken von mir, weil ich in den Zweikämpfen fast immer einen Schritt zu spät kam.
Welchen Plan hatte dir dein damaliger Trainer Hans-Ulrich Thomale mit an die Hand gegeben?
Die klassische Manndeckung war damals nicht mehr das Gebot der Stunde in Leipzig. Wir mussten diesen Ausnahmekünstler irgendwie im Kollektiv entwaffnen, aber das war in der Realität ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Deshalb habe ich im Rückblick auf diese beiden Europapokal-Partien schon mal im Spaß gesagt: Jetzt weiß ich endlich, wo meine Hüftprobleme herkommen. Die Ursache muss mit den Folgen der immer wiederkehrenden schnellen Drehungen und Abstoppbewegungen von Diego Maradona aus den direkten Duellen kommen, die ich mit ihm in den beiden Spielen hatte.
Das Hinspiel fand damals im alten Leipziger Zentralstadion Ende Oktober 1988 statt. Wie hast du diesen Abend in Erinnerung?
Das war schon geil. (schmunzelt) Wir hatten mit Lok Leipzig 1987 unser großes Jahr, als wir bis ins Europapokal-Finale gegen Ajax Amsterdam gekommen sind. Ein Jahr später stand dann in der zweiten Runde das nächste große Highlight gegen Neapel und Diego Maradona an. 100.000 passten ja ins alte Zentralstadion rein, 80.000 waren an diesem Abend offiziell dabei. Wir hatten zuhause ein gutes Spiel gemacht und uns das 1:1 verdient, auch weil uns „Ulli“ Thomale perfekt auf den Gegner eingestellt hatte.
14 Tage später stand am 9. November 1988 das Rückspiel in Italien im „Stadio San Paolo“ an …
Das war eine Betonschüssel, die eine ganz besondere Atmosphäre entfalten konnte. Wir haben uns unterirdisch in irgendwelchen Käfigen warm gemacht. Diego hat in meinen Erinnerungen nur locker jongliert und seine Mitspieler haben immer mal zu uns lässig rüber geschaut, was wir so in Vorbereitung auf das Spielt treiben. Neapel war ein Spitzenteam mit Ausnahmefußballern bestückt, gegen das wir uns mit unserer Leipziger Bezirksauswahl gut verkauft haben. Das Rückspiel ging letztlich 0:2 verloren und trotzdem konnten wir stolz auf uns sein, weil wir mit Anstand aus dem Wettbewerb ausgeschieden waren.
{media-right}Gab es eine besondere Begegnung mit Maradona bei den Spielen?
Vor dem Anpfiff des Rückspiels warteten beide Teams ein paar Minuten auf einen einzigen Spieler. Dann kam eine Traube von gefühlt 500 Fotografen und Reportern am Spielfeldrand entlang – und irgendwo zwischen all den Menschen war Maradona. Der Monsieur war da und dann warteten wir noch mal ein bisschen, weil wir vor lauter brennenden Bengalos erst einmal gar nichts mehr gesehen haben. Dieser grenzenlose Hype war einfach verrückt, Maradona war ein Held für die Menschen in Neapel und das konnte auch jeder an diesem Abend spüren.
Du bist ein echter Sammler, der Erinnerungsstücke gern aufbewahrt. Ist dir aus diesen beiden Begegnungen noch irgendetwas geblieben?
Nur den Versuch eines Trikottausches habe ich mir damals schon vor den Spielen gegen Neapel abgeschminkt, weil ich in der Hierarchie der Leipziger Mannschaft an siebter, achter oder neunter Stelle kam. Meine Teamkollegen hatten zu diesem Zeitpunkt schon 80, 90 Länderspiele gemacht, da habe ich mich damals als 22-Jähriger gar nicht erst getraut zu fragen.
Also findet sich kein Erinnerungsstück mehr in deiner Privatsammlung?
Doch, doch. (lacht) Sogar ein ganz Besonderes: Jeder Spieler hat damals als Gastgeschenk eine goldene Maradona-Armbanduhr bekommen, weil er einen Werbevertrag mit einem Hersteller hatte.
Wie sieht die Uhr aus?
Sie hat ein schwarzes Ziffernblatt, zwei Bälle als Uhrzeiger und eine goldene Zehn sowie die Unterschrift von Diego Maradona sind darauf abgebildet. Das edle Stück bewahre ich heute in einem Tresor auf, weil mir bei einem Einbruch in Bremen vor vielen Jahren schon mal eine ganze Trainingstasche voll mit Klamotten und Erinnerungsstücken an das Spiel geraubt wurde.
{media-left}Gibt es einen Spieler, der für dich auf einer Stufe mit Maradona steht?
Von der Spielweise kommt von den späteren Generationen am ehesten Lionel Messi an seinen Landsmann heran. Aber besser als Maradona war und ist keiner!
Warum war Diego Maradona für dich der Größte aller Zeiten?
Diego war ein genialer Fußballer, bisschen tiefergelegt und breit angelegt vom Körperbau. Er war mit Durchsetzungsvermögen ausgestattet und konnte auf dem Platz auch einstecken, denn damals ging es auch im internationalen Fußball noch ganz anders zur Sache. Er hatte ein tolles Tempo, extreme Präzision im Umgang mit dem Ball, brutale Torgefahr und eine Spielintelligenz wie vom anderen Stern. Er war der perfekte Fußballer, dem einfach keiner das Wasser reichen konnte.
Du hast in deiner Karriere mit vielen Ausnahmespielern zu tun gehabt. Haben es Genies schwerer im Leben?
Genies sind halt immer etwas anders, deshalb sind es ja Genies. Sie saugen das Leben mit jeder Faser ihres Seins auf. So war es wohl auch bei Diego Maradona. Er hat sehr gute Jahre gehabt, sehr gut und manchmal auch exzessiv gelebt. Das konnte man ja über all die Zeit in den Medien verfolgen. Wenn du so berühmt bist wie er, dann findet jeder Schritt und auch jeder Fehltritt deines Lebens im Brennglas der Öffentlichkeit statt. Diesen Rucksack muss man erst mal durchs Leben tragen. Ich erlaube mir kein Urteil darüber, weil ich keinen Spaß daran habe, Idole fallen zu sehen und auch keine Minute in seiner Haut gesteckt habe. Ich habe Respekt vor ihm und seiner Lebensleistung.
Danke „Scholle“, dass du dir Zeit für das Gespräch genommen hast.
Interview: Henry Buschmann
Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.