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25. August 2014 // 16.57 Uhr

Eine Legende wird 35

Anzeigetafel aus dem VEB Kosora feiert am 25. August ihren Geburtstag


Sie hat schon alles erlebt. Die Europapokal-Spiele der 1980er Jahre, die DDR-Meistertitel 1989 und 1990, Sammer, Kirsten und Co. Die Anzeigetafel aus dem VEB Kosora Dresden war Zeuge von tiefster Oberliga-Tristesse um die Jahrtausendwende, dem glorreichen Abschiedsspiel von Ulf Kirsten und der Renaissance der Schwarz-Gelben unter Christoph Franke.  Sie zeigte ein 10:1 gegen die BSG Chemie Buna Schkopau ebenso wie ein peinliches 0:1 gegen Hertha 03 Zehlendorf. Mit dem Stadion-Neubau kam 2008 ihr Aus. Als stummer Zeuge von drei Jahrzehnten Dynamo-Geschichte steht sie nun im Schatten des neuen Stadions hinter dem K-Block. Etwas am Rande, aber nicht vergessen. Wir gratulieren der alten Anzeigetafel zum Jubiläum!Es ist der 6. Juni 1979. Im letzten Oberliga-Punktspiel der Saison 1978/79 trifft die SG Dynamo Dresden auf den 1. FC Magdeburg. Die 19. Minute läuft. Gert Heidler kommt an den Ball und bringt die Schwarz-Gelben mit 1:0 in Führung. 23.000 Zuschauer bejubeln im Dresdner Dynamo-Stadion frenetisch den Treffer und erleben dabei noch eine Premiere: Zum ersten Mal wird der Torschütze weithin sichtbar im Rund auf einer elektronischen Anzeigetafel eingeblendet. „19. Heidler“, so steht es in großen Lettern über der Badkurve geschrieben.

Das Spiel gegen den 1. FC Magdeburg endet schließlich 2:0. Es war der Testlauf der damals brandneuen Anzeigetafel, die eine Stecktafel ablösen sollte, welche ab 1971 im Stadionareal aufgestellt war. Am 25. August 1979 beim Spiel gegen den FC Carl Zeiss Jena wurde die neue Errungenschaft offiziell eingeweiht. Am Donnerstag feiert der inzwischen antiquierte, aber durchaus charaktervolle Vorläufer der modernen Videoleinwände seinen 35. Geburtstag.

{media-left}Dass Dynamo nach dem 2:0-Sieg gegen Magdeburg – Dieter Riedel erzielte den zweiten Treffer – hinter dem BFC Dynamo nur Vize-Meister wurde, stand schon einige Spieltage vorher fest. Gesprächsthema Nummer Eins war deshalb die Anzeigetafel, die Fans, Spieler und Funktionäre gleichermaßen mit Stolz erfüllte. „Dynamo nun auch elektronisch“, titelt das Dynamo-Echo zum Heimspiel gegen Jena am 25. August 1979. „Es ist der kameradschaftlichen und zielstrebigen Zusammenarbeit des Kollektivs von etwa 180 Mitarbeitern in enger Verbindung zu den Verantwortlichen der SG Dynamo Dresden zu danken, da[ß] diese bemerkenswerte Leistung vollbracht werden konnte“, war weiter nachzulesen. Für den Bau der Anzeigetafel hatte eine überbetriebliche Arbeitsgemeinschaft der VEB Kosora und VEB Robotron-Meßelektronik zwei Jahre Feierabendtätigkeit investiert. Gestattet wurde die Anfertigung allerdings nur deshalb, weil die zu „erbringenden Leistungen keinerlei Auswirkungen auf die Plandurchführung des […] Betriebes haben“, wie dem Leiter des Projektes, Oberingenieur Werner Pötzschke, in einem offiziellen Schreiben vom Rat des Bezirkes Dresden vom 21. Juni 1977 mitgeteilt wurde. Die Kosten beliefen sich auf 735.000 DDR-Mark – deutlich mehr als die zunächst anvisierten 500.000 DDR-Mark.



{media-right}Insgesamt 4.333 Glühbirnen konnten auf sechs Zeilen jeweils bis zu 20 Buchstaben oder Zahlen aufleuchten lassen. Neben der elektronischen Spielzeituhr und der Angabe der Ortszeit in digitaler Schreibweise, bildete die sechste Zeile eine gewisse Attraktion: Sie konnte Informationen wie die gleichzeitig laufenden Oberligaspiele samt Halbzeitergebnissen auch in „Laufschrift“ wiedergeben. Die Spielzeituhr wurde später durch eine normale, analoge Uhr mit Stunden- und Minutenzeiger ersetzt. „Es kam nämlich nicht selten vor, dass Spiele in der für alle Zuschauer an der Anzeigetafel sichtbaren Nachspielzeit entschieden wurden“, erklärt Jens Genschmar, der die Geschichte der Anzeigetafel in seinem Dresdner Fußball-Museum nacherzählt. „Das sorgte im Publikum oft für Unmut und war einigen Funktionären wohl ein Dorn im Auge.“



{media-left}Gesteuert wurde die Tafel zunächst mit einer elektronischen Schreibmaschine, ab 1994 kam eine eigens für die Anzeigetafel entwickelte Software zum Einsatz. Einer, der die Anzeigetafel in- uns auswendig kennt, ist Sandro Kreische. 18 Jahre lang, bis zur Außerbetriebnahme der Tafel im September 2008, steuerte der IT-Koordinator – der im übrigen nicht mit Hansi Kreische verwandt ist – das Spiel der Glühbirnen. Vor jedem Spiel musste die elf Meter lange, vier Meter hohe und 2,5 Meter tiefe Anlage gewartet werden. Dazu zählte freilich auch das Austauschen von defekten Glühlampen. „Das konnten schon mal 35 Birnen sein, die wir auf einmal wechseln mussten“, erinnert sich der Dresdner in einem Interview für das Buch „Das Dresdner Stadion“ zurück. Von Sandro Kreische stammt auch das in großen Lettern eingeblendete „TOR“, das zum Ende der 90er Jahre nach jedem Dynamo-Treffer zu sehen war. An ernsthafte technische Ausfälle während seiner Zeit kann er sich nicht erinnern, dafür aber an ein Zweitligaspiel im Oktober 2005 gegen Alemannia Aachen. Der zweifache Torschütze Jan Schlaudraff hieß bei Sandro Kreische kurzerhand Schlaudrauf, was auch der DSF-Kommentator zur Kenntnis nahm und den Millionen Zuschauern vor den Fernsehröhren köstlich aufbereitete.¹

{media-right}In über 500 Heimspielen der SGD informierte die Tafel Zuschauer, Spieler, Offizielle und Medien über die Spielstände im Dynamo-Stadion und auf den anderen Plätzen. Höchstleistungen mussten die Anzeigetafel und ihre „Steuermänner“ am  5. September 1981 erbringen, als Chemie Buna Schkopau mit 10:1 besiegt wurde – es war das höchste Ergebnis, das in der Badkurve jemals angezeigt wurde. Die meisten Tore bei einem Heimspiel im Europapokal fielen beim 7:2-Sieg gegen HJK Helsinki am 6. November 1985. Beim Aufeinandertreffen mit Union Berlin am 13. September 2008 war die Anzeigetafel aufgrund des Stadionneubaus zum letzten Mal in Betrieb. Dynamo verlor dieses Spiel mit 0:1, der letzte angezeigte Torschütze war mit Torsten Mattuschka kein Schwarz-Gelber.



{media-left}Dass die Anzeigetafel im Zuge der Errichtung der neuen Spielstätte nicht abgerissen wurde, verdankt sie ihrem Standort: Das Häuschen mit der Glühbirnenfassade steht auf dem Areal des Georg-Arnhold-Bades und stand den Baumaßnahmen seinerzeit somit nicht unmittelbar im Weg. Bis heute erhebt sich die alte Anzeigetafel direkt hinter dem K-Block des Stadions. Jens Genschmar, der Geschäftsführer des Dresdner Fußball-Museums, würde die Anzeigetafel gern mieten und befindet sich darüber in Gesprächen mit der Stadt: „Die Anzeigetafel ist ein Stück Dynamo-Geschichte, das wir gerne in unsere Stadionführungen einbetten würden. In der Vergangenheit haben uns viele Besucher auf das Innenleben der Anzeigetafel angesprochen, das wir den Leuten zukünftig sehr gern zeigen würden.“

¹entnommen aus: „Das Dresdner Stadion“ von Jürgen Schwarz/Thilo Alexe, editionSZ, 2009

Fotos: Archiv Dresdner Fußballmuseum

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

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