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19. März 2020 // 12.31 Uhr

„Der eigenen Verantwortung bewusst sein“

Seit Sommer 2019 ist Dr. Onays Al-Sadi als Mannschaftsarzt bei der SGD. | Foto: Dennis Hetzschold

Interview mit SGD-Mannschaftsarzt Dr. Onays Al-Sadi zur Corona-Krise


Dr. Onays Al-Sadi ist seit Sommer 2019 Mannschaftsarzt der SGD und als Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Notfallmedizin des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden einer jener Menschen, die mit den Auswirkungen der Corona-Krise gerade Tag für Tag hautnah konfrontiert werden.Wir haben mit dem 39-Jährigen über die Folgen der Pandemie auf den Krankenhausalltag, die Gesellschaft und den deutschen Fußball gesprochen. Dazu gibt der gebürtige Berliner einen Einblick, wie die Spieler der SGD mit der aktuellen Situation umgehen und beantwortet die Frage, ob ein Vorratskauf von Toilettenpapier medizinisch begründet werden kann.

Die Corona-Krise hält die ganze Welt in Atem. Wie hat sich das Leben in den Krankenhäuser durch die Pandemie in den vergangenen Wochen verändert, Onays?

Die Situation hat sich vor allem für die internistischen Abteilungen und für die internistische Notaufnahme verändert, weil das die ersten Anlaufstellen für Menschen sind, die befürchten einen Atemwegsinfekt zu haben und sich dementsprechend dort vorstellen und auf Klärung hoffen. Dort kommt es zu einer ganz deutlichen Verdichtung der Patientenzahlen.

In Krankenhäusern arbeiten die Menschen fast immer als Helden des Alltags am Limit. Wie ist die Stimmung im Kreise deiner Kollegen?

Die Stimmung ist gut, weil in der Klinik täglich aktualisiert und viel Aufklärungsarbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrieben wird. Das Universitätsklinikum hat sowohl räumlich als auch personell noch mal deutlich aufgestockt, um dem Ansturm gerecht zu werden. Dennoch bleibt es natürlich für das Personal in den Funktionseinrichtungen der inneren Abteilungen sowie im Labor eine angespannte Situation.

Hat sich die Arbeitsbelastung durch die fortschreitende Ausbreitung des Coronavirus nochmals erhöht?

Ganz sicher. Die großen und kleinen Herausforderungen innerhalb des Klinikalltags haben aufgrund der Corona-Krise und der dadurch steigenden Patientenzahl deutlich zugenommen. Aber alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ziehen gemeinsam an einem Strang und geben alles, um auch in dieser schwierigen Phase die bestmögliche medizinische Versorgung zu gewährleiten.

{media-left}Das Robert-Koch-Institut appelliert täglich an alle Menschen, die Maßnahmen der Bundesregierung zwingend einzuhalten. Warum ist das aus medizinischer Sicht so wichtig?

Es geht letztendlich um zwei wesentliche Dinge. Der Mensch, der wirklich vital bedroht ist durch diese Infektion, ist der abwehrgeschwächte sowie der ältere Mensch, der möglicherweise auch diverse internistische Vorerkrankungen hat. Diese Patientengruppe ist von Hause aus gefährdeter, schwere Verläufe der Erkrankung zu bekommen. Dem Robert-Koch-Institut und der Bundesregierung geht es zum einen darum, diese Menschengruppe zu schützen, die einen großen Anteil unserer immer älter werdenden Bevölkerung ausmacht. Zum anderen soll zudem der Anstieg der Erkrankungsfälle nicht zu steil voranschreiten, sodass das Gesundheitssystem mit all seinen Ressourcen auch weiter agieren und angemessen reagieren kann.

Kannst du bestätigen, dass es wirklich Menschen gibt, die beispielsweise Desinfektionsmittel aus Krankenhäusern stehlen?

Ja, das ist tatsächlich vorgefallen. Dinge wie Desinfektionsmittel und Handschuhe sind abhandengekommen. Auch Atemschutzmasken wurden reichlich dezimiert, weshalb von der Klinik entsprechende Vorkehrungen getroffen wurden, damit die benötigten Verbrauchsmaterialien adäquat und ausreichend vorhanden sind.

Wie kann die Gesellschaft am besten das Gesundheitssystem und die Arbeit in den Krankenhäusern in dieser schwierigen Zeit am besten unterstützen?

Einerseits sollte man einfach versuchen, die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts und der Bundesregierung umzusetzen – also große Menschenmengen und -ansammlungen meiden und auch anstehende Veranstaltungen wie Geburtstagsfeiern und dergleichen absagen, auch wenn es schwer fällt. Andererseits sind in der jetzigen Phase gerade jüngere Menschen dazu angehalten, bei grippeähnlichen Symptomen nicht gleich in Panik zu verfallen und tief in sich hineinzuhören, ab wann der Gang zur Testung wirklich notwendig ist.

Du hast vor der Mannschaft mit deutlichen Worten einen kurzen Vortrag darüber gehalten, was die aktuelle Lage für unser aller Leben bedeutet und welche Auswirkungen die Krise auf unser Land haben wird. Wie haben die Spieler das aufgenommen?

In meiner Wahrnehmung haben die Spieler alles sehr besonnen und auch interessiert aufgenommen. Es gab niemanden, der das grundsätzlich anders bewertet hat. Ich glaube, dass ihnen klar ist, was das für gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Konsequenzen hat. Alle Spieler sind sich ihrer eigenen Verantwortung in der jetzigen Situation bewusst und tun alles, um dem Präventivgedanken zu folgen.

Ist dein Rat bei den Spielern jetzt noch mehr gefragt?

Definitiv. Es gab vermehrt Anfragen aus Spielerkreisen und auch ein paar Untersuchungen in der Uniklinik. Aber diesbezüglich erfreut sich der Kader aktuell bester Gesundheit.

Du bist seit Sommer neu im Ärzteteam rund um die Mannschaft. Wie viel Freude macht dir die Arbeit mit den Zweitliga-Spielern von Dynamo Dresden?

Es macht mir sehr viel Freude, weil es eine willkommene Abwechslung zu meinem sonstigen Klinikalltag ist. Mit Profisportlern zu arbeiten und ins Gespräch zu kommen, die einen hohen funktionellen Anspruch und viel Körpergefühl haben, sowie die Kommunikation mit dem restlichen medizinischen Team macht sehr viel Spaß und ich bin immer gerne da.

{media-right}Werden die Spieler in den kommenden Wochen auch auf das Coronavirus getestet?

Da halten wir uns an die Vorgaben der Bundesregierung, des Robert-Koch-Institutes und der Uniklinik Dresden. Demnach werden Spieler erst dann getestet, wenn sie Atemwegserkrankungen haben, die auch mit Fieber einhergehen oder aber wenn sie Kontakt zu Personen hatten, die mit dem Coronavirus infiziert worden sind. Auch Rückkehrer aus einer Risikoregion wie beispielsweise Italien oder Tirol wären präventiv getestet worden. Eine generelle Testung von Spielern wird es allerdings nicht geben, weil sie ohne begründeten medizinischen Hintergrund keinen Sinn macht.

Die Lage in Europa ist extrem dynamisch. Jeden Tag stehen neue Entscheidungen und Maßnahmen an, um das Ausbreitungstempo zu verringern. Hältst du es persönlich für möglich, dass es auch in Deutschland zu einer Ausgangssperre kommen kann?

Aktuell versucht man noch an einer Ausgangssperre vorbeizukommen. Die Lage ist aber sehr dynamisch. Möglicherweise schaffen wir es, aber mit abschließender Sicherheit kann man das am heutigen Tag nicht beurteilen.

Der Fußball in der Bundesliga und 2. Liga pausiert erst einmal bis mindestens 2. April. Kann diese Pause aus medizinischer Sicht überhaupt ausreichen?

Das ist eine schwierige Frage, die aus mehreren Blickwinkeln diskutiert werden muss. Auf der einen Seite gibt es die klaren Stellungnahmen der Bundeskanzlerin, die besagen, dass Sportstätten quasi unisono außer Betrieb genommen sind. Auf der anderen Seite halten der DFB und der DOSB Mannschaftstraining unter bestimmten Kautelen durchaus für durchführbar. Das muss im Einzelfall unter Einhaltung aktueller Vorgaben entschieden werden. Auch das ist so dynamisch, dass sich das abschließend noch nicht bewerten lässt – zumal es in einigen Mannschaften bereits Nachweise von Corona gibt. Aber ich bin zuversichtlich, dass der Deutsche Fußball Bund und die Deutsche Fußball Liga zusammen mit den Vereinen sowie in Abstimmung mit der Bundesregierung den richtigen Weg wählen werden.

Die Deutschen kaufen in diesen Tagen insbesondere Toilettenpapier auf Vorrat. Was passiert da mit uns Menschen aus psychologischer Sicht, hast du als Mediziner dafür irgendeine plausible Erklärung parat?

Nein, wirklich nicht. Völlig unverständlich. (lacht) Was wirklich spannend ist, weil es kein rein deutsches Phänomen zu sein scheint. In Australien passiert das beispielsweise auch. Das muss irgendetwas sein, das ganz tief im Menschen verankert ist. Aus medizinischer Sicht ist das absolut nicht zu erklären.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Onays. Dir und deinen Kolleginnen und Kollegen wünschen wir im ganzen Land für die kommenden Wochen vor allem ganz viel Kraft.

Interview: Henry Buschmann

Fotos (im Text eingebunden): Steffen Kuttner

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

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