1. Mannschaft
17. Februar 2021 // 18.15 Uhr

„Das kann einfach noch nicht das Ende gewesen sein“

Zusammen mit Fitnesscoach Matthias Grahé schuftet Chris Löwe im Kraftraum der AOK PLUS Walter-Fritzsch-Akademie am Comeback. | Foto: Steffen Kuttner

Interview mit Linksverteidiger Chris Löwe


Seit dem folgenschweren Zusammenprall an der Mittellinie am 6. Spieltag im Hinspiel gegen den FSV Zwickau fehlt Linksverteidiger Chris Löwe im Aufgebot der SGD aufgrund eines Außenbandrisses im linken Knie. Nach anfänglichen Rückschlägen und vielen Wochen schweißtreibender Arbeit in der Reha befindet sich der 31-jährige Leistungsträger mittlerweile wieder auf einem guten Weg, in absehbarer Zukunft ins Mannschaftstraining zurückkehren zu können.Im Interview spricht der ehemalige Premier-League-Spieler über die zurückliegenden Monate, seine Fortschritte im Reha-Training und die starken Leistungen seiner Teamkameraden, trotz der vielen verletzungsbedingten Ausfälle.

Darüber hinaus hat der erfahrene Außenspieler eine Neuigkeit zu verkünden, die alle Schwarz-Gelben mit großer Freude erfüllen dürfte: Es geht bis 2022 weiter! Nach der Saison werden die Fußballschuhe doch nicht, wie ursprünglich geplant, an den Nagel gehängt …       

Wie läuft die Reha, Chris?

Ich bin sehr zufrieden damit, wie es im Moment läuft. Wir haben die Belastung seit Ende Dezember kontinuierlich steigern können, ohne zwischendurch nochmal runterfahren zu müssen. Jetzt ist der Plan, dass wir am Donnerstag rausgehen und ich das erste Mal seit vier Monaten wieder mit Fußballschuhen auf dem Platz stehen werde. Wenn alles gut läuft, kann ich dann in drei bis vier Wochen voraussichtlich sogar wieder ins Mannschaftstraining einsteigen.

{media-left}Wie sehr erleichtert dich diese Prognose nach der ganzen Ungewissheit in den letzten Wochen?

Es war natürlich extrem wichtig für mich zu sehen, dass der Weg, den ich jetzt gewählt habe, sehr wahrscheinlich der richtige war. Das war so eine 50-50-Entscheidung. Es gab auch Ärzte, die gesagt haben, dass eine Operation notwendig sein würde, um weiter Leistungssport betreiben zu können.

Was hat die Verletzung so kompliziert gemacht?

Das Außenband war komplett durchgerissen und ist in den ersten Wochen leider nicht wieder so zusammengewachsen, wie wir uns das alle zunächst einmal erhofft und vorgestellt hatten. Dadurch wurde der ganze Heilungsprozess deutlich zurückgeworfen, bis dann im Dezember aufgrund der fehlenden Stabilität im Knie sogar eine Operation zur Debatte stand. Mit dem Wissen um die Schwere der Verletzung heute, war ich anfangs einfach ein bisschen zu optimistisch.

Wenn man sich den Zusammenprall aus dem Zwickau-Spiel noch mal anschaut, der zu der Verletzung führte, überrascht die Schwere im Nachhinein nicht. Das war wirklich eine Art Frontalcrash …

Das muss man wirklich sagen. Wenn ich die Bilder noch mal sehe und auch das Gefühl bedenke, das ich auf dem Platz hatte, war mir eigentlich in der Kabine schon bewusst, dass es ein Totalschaden ist. Ich habe mich dann von der ersten Diagnose, die das zunächst einmal ausschloss, ein bisschen zu falschem Optimismus verleiten lassen. Die Hoffnung, doch mit einem blauen Auge davongekommen zu sein, war zu groß.

{media-right}Wie ist der aktuelle Beziehungsstatus zu Fitnesstrainer Matthias Grahé?

Gut, dass du mich das jetzt fragst und nicht direkt nach dem Training. (lacht) Nein, Spaß beiseite. Matthias war und ist immer noch ein ganz wichtiger Baustein für die Fortschritte, die ich mit meinem Knie gemacht habe. Für die Akribie, Hingabe und Gelassenheit, mit denen er die letzten Wochen mit mir trainiert hat, kann ich ihm gar nicht oft genug danken. Das ist bei all seinen anderen Verpflichtungen rund um die Mannschaft nicht selbstverständlich. Dazu sind wir beide auch noch menschlich voll auf einer Wellenlänge. Aber auch dem Rest unseres Physioteams gebührt mein riesengroßer Dank.

Hat Matthias noch einmal den Kämpfer in dir geweckt?

Mit ihm macht es bei all der Quälerei, die eine solche Reha mit sich bringt, einfach unglaublich viel Spaß zu arbeiten. Er versteht es wunderbar, mich anzuspornen, weil er mich so nimmt, wie ich bin. Die Übungen arten oft in kleine Wettbewerbe gegeneinander aus, in denen wir uns beispielsweise gegenseitig mit Wiederholungen überbieten wollen. Das sorgt dann automatisch dafür, dass ich alles reinhaue.

{media-left}Wenn man dich im Kraftraum beobachtet, sieht man, dass du unglaublich hart arbeitest. Was machst du dort genau?

Wir trainieren jeden Tag bis zu zwei Stunden und gefühlt auch immer bis zur Ausbelastung. Von Kondition, Ausdauer bis hin zu Oberkörper- und Beinkraft packen wir in die Einheiten im Wechsel alles rein. Und das spürt man natürlich deutlich im Anschluss, wenn man wieder zuhause ist. Letzten Endes werde ich im Moment so belastet, wie sonst eigentlich nur während der Vorbereitung.

Was sagt deine Frau zu deinem neuen Körperbau?

Ich denke schon, dass ich, was den Körperbau angeht, momentan nicht mehr ganz so weit weg von meiner Topform aus Englandzeiten bin. Da hat sich durch das permanente Krafttraining logischerweise einiges in den letzten Wochen getan und das kann man dann auch irgendwann nicht mehr verbergen. Auch wenn meine Frau noch nichts explizit dazu gesagt hat, glaube ich, dass sie da nicht böse drüber ist. (lacht)

Du hast gesagt, dass du nach dieser Saison deine aktive Karriere beenden möchtest. Hat die Verletzung deine Pläne diesbezüglich verändert?

Ich befinde mich jetzt an einem ähnlichen Punkt wie in der letzten Saison, an dem ich mir sage: Das kann einfach noch nicht das Ende gewesen sein. Ich habe mich die letzten Monate nicht jeden Tag in der Reha gequält, um, einen Monat nachdem ich wieder auf dem Platz stehen kann, meine Schuhe an den Nagel zu hängen. So wird es nicht sein.

{media-right}Das heißt, du erfüllst bei der SGD doch deinen Vertrag bis 2022?

Das habe ich vor. Ich suche für mein Karriereende immer noch den Moment, an dem ich mit mir im Reinen bin. Und das bin ich jetzt aktuell wieder nicht, weil ich nicht mit dem Erlebnis dieser Verletzung in meinem letzten Pflichtspiel aufhören will und kann. Dazu kommt noch als ganz wichtiger Faktor, dass mit unserer neuen Mannschaft in diesem Jahr das ganze Thema Fußball wieder viel mehr Spaß macht. Man kommt einfach gerne zum Training und in die Kabine und verbringt mit den Jungs auch gerne ein bisschen Zeit.

Bei aller Sympathie seid ihr auch Konkurrenten, was die Einsatzzeiten angeht. Wie blickst du auf die starken Leistungen von Jonathan Meier als Linksverteidiger?

Die Diskussion vor Kurzem habe ich mitbekommen, in der so ein bisschen im Raum stand, dass er diesen Weg nur aufgrund meiner Verletzung gegangen sei. Mit Sicherheit spielt das dabei auch eine Rolle, aber ich habe ihm auch schon persönlich gesagt, dass man diese Chance, die man da bekommt, erst einmal nutzen muss. Und ‚Joni‘ hat sie auf eine Art und Weise genutzt, bei der man festhalten muss, dass es herausragend war, was er teilweise gespielt hat.

{media-left}Du bist also bereit für den bevorstehenden Konkurrenzkampf?

Na klar. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass es nicht so ist, dass alle die letzten fünf Monate auf mich gewartet haben, ich jetzt wiederkomme, eine Woche trainiere und dann wieder spiele. Ich werde mich selbstverständlich diesem Wettbewerb stellen müssen. Auch mit dem Wissen, dass es nach der langen Verletzung für mich erst einmal darum gehen wird, wieder ein bisschen Gefühl zu bekommen.

Am Samstag kommt es zum Rückspiel gegen Zwickau. Damit hast du die Hälfte der Saison verpasst. Ist das die bisher schwierigste Phase deiner Karriere?

Auf jeden Fall ist das jetzt aktuell die längste Ausfallzeit meiner Karriere. Daher ist das schon etwas Neues für mich. Solange nicht mit der Mannschaft zu trainieren und stattdessen in der Reha allein sein Pensum abzuspulen war hart. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass ich mich jetzt endlich auf der Zielgeraden befinde. Der soziale Aspekt rund um den normalen Trainings- und Spielbetrieb fehlt mir schon sehr.

Wie war es für dich mit dem Autofahren zwischen Chemnitz und Dresden bei diesem krassen Wintereinbruch? Musstest du schon den ein oder anderen Umweg nehmen?

Tatsächlich war es nur an zwei Tagen ein bisschen schwierig zu fahren, weil die Straßen bei diesen Schneemassen, die da vom Himmel fielen, logischerweise nicht freigeräumt waren. Nachdem es aufgehört hat so heftig zu schneien, war das aber dann kein Problem mehr.

{media-right}Du hast schon unglaublich viel im Profi-Fußball erlebt. Wie erklärst du dir als einer von zahlreichen Führungsspielern, die gerade ausfallen, dass die Mannschaft all diese Widrigkeiten so gut kompensiert?

Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich nicht damit gerechnet, dass die Mannschaft diese ganzen Ausfälle dermaßen gut wegsteckt. Das konnte auch niemand erwarten, glaube ich. Wenn man sich vor Augen führt, wer da alles fehlt, blieb einem im ersten Moment nichts anderes übrig als die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Wie man aber unter anderem an der Personalie ‚Joni‘ Meier sieht, haben sich alle, die dann zwangsläufig in die Bresche springen mussten, relativ schnell daran gewöhnt und erfüllen ihre Aufgaben seitdem sehr gut.

Was ist deiner Meinung nach das Geheimnis dieser Mannschaft?

Ich glaube, das Entscheidende ist der bei allen vorhandene Erfolgshunger und die Gier. Wenn man sich dazu noch das junge Alter der Jungs anschaut, die da in den letzten Wochen auf dem Platz standen, sind die gezeigten Leistungen umso beeindruckender. Sollten wir das so beibehalten können, gibt es meiner Meinung nach kein Team in der 3. Liga, das am Ende besser sein wird als wir.

{media-left}Corona-Quarantäne, Zweitliga-Abstieg, Geisterspiele und auch keine direkten Begegnungen mehr im Vereinsleben mit Fans. Wie sähe dein ideales Karriereende im Sommer 2022 aus?

Erst mal wäre es schon genug, wenn wir unser normales Leben wieder zurückhätten und die Fans ins Stadion dürften. In diesem Jahr war schon das ein oder andere Spiel dabei, das mit Zuschauern vor Ort explodiert wäre, wie beispielsweise das 4:3 gegen Kaiserslautern. Für uns sind die Geisterspiele ganz klar eine zusätzliche Schwächung. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir bis dahin dieses ganze Corona-Thema beiseitelegen können und ich mich im besten Fall mit einem Zweitliga-Klassenerhalt vor 32.000 Zuschauern in Dresden in Fußball-Rente verabschieden kann.

Wer dürfte als Zuschauer bei deinem Abschiedsspiel im Stadion nicht fehlen?

Vor allem meine Familie. Meine Frau, Eltern und Großeltern haben mich meine ganze Karriere hindurch überallhin begleitet. Das wäre für mich ein absolut runder Abschluss. Drücken wir mal die Daumen, dass bis dahin alles wieder normal ist und der Wahnsinn ein Ende hat.

Das ist auch ein absolut runder Abschluss für dieses Interview. Vielen lieben Dank für deine Zeit, Chris. Wir freuen uns auf deine hoffentlich baldige Rückkehr auf den Platz.

Interview: Henry Buschmann & Marcel Devantier

Dies ist eine migrierte News einer früheren Website-Version der SG Dynamo Dresden. Wir bitten um Verständnis, dass es aus technischen Gründen möglicherweise zu Fehlern in der Darstellung kommen kann bzw. einzelne Links nicht funktionieren.


 

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