Nach der Entscheidung der zuständigen Verbände in der vergangenen Woche steht fest, dass der Spielbetrieb für Dynamos Nachwuchsmannschaften mindestens auch noch im Dezember ausgesetzt wird.Aus diesem Anlass haben wir mit Dynamos Nachwuchsleiter Jan Seifert telefoniert, um mit ihm über die Folgen dieser langen Wettkampfpause für die Talente der Nachwuchs Akademie, aber auch für den gesamtdeutschen Jugendfußball zu sprechen.
Im Interview gibt der 52-Jährige, der von allen nur kurz „Seif“ gerufen wird, eine Bestandsanalyse dieser schwierigen Situation und erklärt, warum die Verleihung der Fritz-Walter-Medaille an Kevin Ehlers eine Bestätigung für den eingeschlagenen Weg der Sportgemeinschaft ist.
Die Verbände haben beschlossen, dass der Spielbetrieb im Nachwuchs weiter ruht. Was bedeutet das für die Kinder und Jugendlichen, „Seif“?
Es fehlt der Höhepunkt am Ende jeder Woche, auf den die Jungs zusammen mit ihren Trainern normalerweise tagtäglich hinarbeiten, um sich dann im Wettkampf mit den besten ihrer Liga und Altersklasse zu messen. Es fehlt momentan also das zentrale Element, auf das sonst in der Trainingsarbeit alles ausgerichtet ist.
Glaubst du, dass diese vielen Corona-bedingten Spielpausen in 2020 Konsequenzen für diese Spieler-Generationen haben werden?
So schmerzhaft die Einschränkungen für alle Beteiligten auch waren, so hatte ich das Gefühl, dass der „Lockdown“ in der ersten Jahreshälfte den Spielern sogar in gewisser Weise gut getan hat, weil sie mal richtig durchschnaufen und auf andere Gedanken kommen konnten. Der Fußball stand mal für ein paar Monate nicht im Mittelpunkt. Das hat dem einen oder anderen meiner Meinung nach sogar vorangebracht, weil wir im August festgestellt haben, dass sich viele Mannschaften in ihrem Leistungsvermögen richtig gut entwickelt haben.
{media-left}Wie sieht es jetzt aus?
Jetzt muss man da deutlicher differenzieren, weil die Pausen in Summe einfach zu lang sind. Wenn wir alle Unterbrechungen zusammenzählen, dann kommen wir bis zum Ende des Jahres auf eine Wettkampfpause von fast sechs Monaten. Das kann sich selbstverständlich auf verschiedene Entwicklungsschritte der körperlichen wie seelischen Resistenz eines jungen Leistungssportlers auswirken, der sich eines Tages mal im umkämpften Profi-Fußball behaupten soll. Aber die genauen Konsequenzen werden wir erst in ein paar Jahren genau analysieren können.
Du warst selbst zu DDR-Zeiten in einem Nachwuchsleistungszentrum aktiv. Wie wichtig sind für die persönliche Entwicklung die Wettkämpfe mit Altersgenossen?
Sehr wichtig, weil du im Jugend- und Juniorenbereich nur im Wettbewerb mit Gleichaltrigen erfährst, was genau deine Stärken und Schwächen sind. Diese Erfahrungen von Erfolg und Niederlage sind in jungen Jahren völlig unabhängig von der Sportart wichtig, um daraus auch eine gesunde Portion Ehrgeiz, Selbstbewusstsein und Selbstreflexion zu entwickeln. Wenn dir das gelingt, dann kannst du deine Stärken auch besser in die Mannschaft einbringen und gleichzeitig lernst du so, im Training gezielt an deinen Potentialen zu arbeiten.
Die Nachwuchsarbeit, aber auch der Breiten- und Freizeitsport sind durch die Corona-Maßnahmen arg gebeutelt. Wie ist die Stimmung unter den Trainern und Mitarbeitern in der Nachwuchs Akademie?
Sehr positiv aktuell, weil wir als Leistungszentrum das Glück und Privileg haben, dass wir zumindest noch den Trainingsbetrieb unter Einhaltung eines strikten Hygienekonzeptes für unsere Nachwuchsspieler aufrechterhalten dürfen. Das führt dann im Alltag dazu, dass die verschiedenen Trainer extrem motiviert, leidenschaftlich und detailversessen mit ihren Mannschaften auf den Übungsplätzen der Nachwuchs Akademie daran arbeiten, die Entwicklung der Jungs unter den gegebenen Umständen voranzutreiben.
Wenn du dir gerade etwas wünschen könntest, was wäre das?
Das der Spielbetrieb im Januar spätestens Februar wieder losgeht und dann bis zum Sommer normal durchläuft. Ich finde es gut, das sich jetzt mehrheitlich darauf geeinigt wurde, dass in fast allen Spielklassen in dieser Saison „nur“ eine Hinrunde gespielt wird, um das Spieljahr unter so fairen Bedingungen wie möglich abzuschließen.
{media-right}U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz hat jüngst Alarm geschlagen, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Fußball-Talente anbelangt. Haben wir uns in diesem Bereich vielleicht jahrelang etwas zu stark geredet?
Wenn du mit Bewährtem Erfolg hast, dann gehst du nur ungern im Leben neue Wege. Jetzt kommt offensichtlich langsam bei den Verantwortlichen die Erkenntnis, dass das Niveau um uns herum – gerade in England, Spanien und Frankreich – wieder deutlich angestiegen ist. Solche Phasen gab es auch in der Vergangenheit immer mal wieder. Jetzt sollte wieder mit aller Konsequenz an ein paar Stellschrauben gedreht werden, um die Entwicklung im deutschen Junioren-Fußball nachhaltig wieder in eine positivere Richtung zu lenken. Aber Panik sollten wir meiner Meinung nach nicht verbreiten, denn auch in Deutschland gibt es viele hochbegabte Talente. Aber im Detail können das die Trainer und Verantwortlichen beim Deutschen Fußball-Bund natürlich besser als ich beurteilen.
Kevin Ehlers wurde als eines der großen Talente seines Jahrgangs vom DFB mit der Fritz-Walter-Medaille ausgezeichnet. Ist er auch Vorbild für andere Nachwuchsspieler?
Wir sind – und wollen das auch sein – ein Ausbildungsverein. So steht es auch in unserem Leitbild. Daher freut es mich ungemein, dass unser Weg durch solche Auszeichnungen auch eine repräsentative Bestätigung erfährt. Natürlich schauen unsere jungen Talente auf Kevin und andere Jungs, die den Sprung aus dem eigenen Nachwuchs ins Profi-Team geschafft haben, und wollen in den kommenden Jahren den gleichen Weg gehen.
Insgesamt haben neun Spieler des aktuellen Drittliga-Kaders in Dynamos Nachwuchs Akademie gespielt. Macht dich das stolz?
Nicht nur mich, sondern die gesamte Nachwuchsabteilung des Vereins. Für uns steht – angestoßen durch Ralf Minge – seit 2014 die nachhaltige Ausbildung unserer Talente im Mittelpunkt und nicht das nackte Ergebnis vom Wochenende. Wir ernten für diese Arbeit jetzt die Früchte – und das verleiht uns in der Argumentation mit anderen Nachwuchsspielern natürlich vor allem Glaubwürdigkeit. In den Gesprächen mit potentiellen Toptalenten und ihren Eltern sind Spieler wie Marvin Stefaniak, Markus Schubert oder Niklas Hauptmann sehr wichtige Beispiele, um aufzuzeigen, dass wir nicht nur ausbilden, sondern vielen Talenten auch tatsächlich eine echte Perspektive bieten. Und diesen Weg wollen wir auch in Zukunft weitergehen.
Danke dir für das Gespräch, Seif.
Interview: Henry Buschmann
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