Nachwuchs
06. Oktober 2023 // 18.15 Uhr

„An der gesamten Situation menschlich und sportlich gewachsen“

Hinter Dmytro Bohdanov liegt eine bewegende Zeit. Nach der Flucht aus der Ukraine fand er sein Glück über Umwege bei Dynamo Dresden. | Foto: Dennis Hetzschold

Dmytro und Vater Vladimir Bohdanov im KREISEL-Interview


Er ist aktuell das Sturmtalent in der Nachwuchs Akademie der SG Dynamo Dresden. Dmytro Bohdanov besticht in der U17 und der U19 mit starken Leistungen, erhielt jetzt die Einladung zur U17-Nationalmannschaft der Ukraine und wurde zuletzt mit seinem ersten Vertrag bei der SGD ausgestattet. Im KREISEL-Interview spricht der junge Ukrainer gemeinsam mit Vater Vladimir über die Flucht aus dem Heimatland, die schwierige Anfangszeit und warum er eigentlich überhaupt nicht auf dem Fußballplatz stehen sollte. 

Dmytro, kannst du dir aktuell ein Leben ohne Fußball vorstellen?
Dmytro: Nein, definitiv nicht. Der Fußball begleitet mich schon mein gesamtes Leben. Bereits als kleines Kind habe ich immer einen Ball am Fuß gehabt und war bei den Spielen meines Vaters als Zuschauer dabei. Dann haben mich meinen Eltern schließlich zum Fußballverein gebracht. Von dort aus ging es dann später im Alter von zehn Jahren sogar zu Dynamo Kiew und jetzt geht mein Weg in Dresden weiter.

Vladimir, du warst selbst aktiver Fußballer in der 2. und 3. Ukrainischen Liga, hast in der Jugend unter anderem für Borussia Dortmund und den FSV Mainz 05 gespielt – War es dein Wunsch, dass Dmytro selbst einmal Fußball spielt?
Vladimir: Nein, tatsächlich war ich sogar eher dagegen. Weil ich selbst die Erfahrungen im Fußball gemacht habe und weiß, auf was man auch in der Jugendzeit verzichten muss. Deshalb wollte ich nicht um jeden Preis, dass er diesen Weg geht, aber am Ende hat er es unbedingt gewollt und sein Wille hat sich durchgesetzt.

Du sprichst sehr gut Deutsch. Ist das alles noch aus deiner Fußballzeit in Deutschland hängen geblieben? 
Vladimir: Ja genau. In Dortmund habe ich intensiv die Sprache gelernt. Aber auch nach meiner Rückkehr in die Ukraine habe ich viele deutsche Bücher gelesen, Filme geschaut und mich mit deutschsprachigen Menschen unterhalten, um die Sprache nicht zu verlernen. Jetzt kann man sagen, zum Glück. 

Du sprichst es an Vladimir – die Deutschkenntnisse helfen dir jetzt enorm, denn ihr musstet als gesamte Familie euer Heimatland aufgrund des Kriegsausbruchs verlassen. Wie habt ihr diese Zeit erlebt? 
Vladimir: Ich kann mich noch gut an die Anfänge erinnern. Ich habe abends mit den alten Herren noch Fußball gespielt, als wir auf dem Handy eine Meldung erhielten, dass am Folgetag alles geschlossen bleibt und Veranstaltungen nicht stattfinden. In der Nacht hat mich dann meine Frau geweckt, weil sie von einer Explosion in der Stadt aus dem Schlaf gerissen wurde. Wir konnten nicht begreifen, dass es in der heutigen Zeit, in unserem Europa, tatsächlich zu so etwas kommen konnte. Ich hatte große Angst um meine Familie.

Und aufgrund dieser Angst habt ihr euch dann entschieden die Stadt und das Land zu verlassen?
Dmytro: Mein Vater hat für meine Mutter und uns Kinder einen Fahrer organisiert, der uns zum Bahnhof brachte. Von dort aus sind wir zwei Tage lang mit dem Zug zuerst in die polnische Stadt Chełm und dann nach Warschau gefahren, wo wir von einem Freund unseres Vaters empfangen und von ihm nach Dresden gefahren wurden. Mein Vater ist in der Ukraine geblieben. 

Meiner Frau bin ich sehr dankbar, dass sie zu diesem Zeitpunkt nur an die Rettung der Kinder gedacht hat.
Valdimir Bohdanov

Vladimir, warum bist du nicht direkt mit nach Dresden gekommen?
Vladimir: In erster Linie war ich froh, dass sie zu diesem Zeitpunkt in Sicherheit waren. Meiner Frau bin ich sehr dankbar, dass sie zu diesem Zeitpunkt nur an die Rettung der Kinder gedacht hat. Ich bin geblieben, weil ich dachte, dass sich die Situation beruhigen und meine Familie schnell wieder zurückkehren würde. Aber nach fünf Wochen habe ich dann gemerkt, dass meine Hoffnung falsch war und habe mich deshalb entschlossen, meiner Familie zu folgen. 

Wie waren die ersten Wochen in Deutschland für dich Dmytro? Schließlich warst du in einem fremden Land mit unbekannter Sprache, ohne Vater…
Dmytro: Die erste Zeit war nicht leicht. Wir hatten viel zu organisieren und mir fehlte natürlich mein gewohntes Leben. Deshalb habe ich mich dann schnell bei verschiedenen Vereinen vorgestellt. Durch unsere Nachbarn bin ich dann mit meinem Freund beim Dresdner SC gelandet. Dort wurde ich super aufgenommen und bei vielen Themen unterstützt, wofür ich heute noch dankbar bin. 

Und dann gab es plötzlich den Kontakt zu Dynamo?
Dmytro: Genau, Jan Seifert kontaktierte uns, nachdem er vom DSC einen Tipp erhalten hatte. Die Chance wollte ich unbedingt nutzen und mich beim Probetraining von meiner besten Seite zeigen. Das hat glücklicherweise auch funktioniert und ich gehörte dann fest zum Team.

Du kamst dann in die U17 bei unserer SGD, hast zuletzt deinen ersten Vertrag erhalten und spielst jetzt bereits als jüngerer Jahrgang in der U19. Ein steiler Werdegang, oder? 
Dmytro: Ich bin sehr glücklich über diese Entwicklung und dass mir diese Möglichkeiten hier bei Dynamo geboten werden. Trotzdem muss ich noch viel an mir arbeiten. Ich möchte mich auf die Schule konzentrieren, besuche dort die deutsche Klasse und will die Sprache verinnerlichen, um dann auch auf dem Platz einen Schritt nach dem anderen gehen zu können. 

Vladimir, wie blickst du als Vater auf seine Entwicklung?
Valdimir: Natürlich sind wir Eltern sehr glücklich und stolz. Ich habe in Kiew vom Probetraining bei Dynamo erfahren. Ich glaube, dass er diese Entwicklung in den zurückliegenden 1,5 Jahren in Kiew so nicht genommen hätte. Er ist an der gesamten Situation menschlich und sportlich sehr gewachsen. Als dann das Vertragsangebot aufkam haben wir ihn als Familie natürlich bekräftigt. Er ist ein Familienmensch, deshalb sind wir froh, dass wir die Option erhalten haben, weiterhin an einem Ort zusammen zu sein. 

Wie intensiv verfolgt ihr die Entwicklungen in eurem Heimatland? 
Dmytro: Mein Großvater und weitere Familienangehörige und Freunde sind in der Ukraine geblieben. Deshalb verfolgen wir das Geschehen sehr intensiv und erhalten täglich Meldungen. Wir sind froh, dass wir in Sicherheit sind und hoffen, dass die schwere Zeit für alle Menschen so schnell wie möglich vorüber geht. 

Vielen Dank für eure offenen Worte und schön, dass ihr bei der SGD seid!


 

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