Seit Ende der 1980er Jahre ist Uwe Leuthold glühender Dynamo-Fan, erlebte die legendären Europapokal-Schlachten mit und fiebert sich seitdem mit der SGD durch alle denkbaren Ligen und Fußballprovinzen. Von der DDR-Ober-, über die Bundes-, bis runter in die Regionalliga, egal ob 3. Liga oder 2. Bundesliga – Leuthold war und ist stets dabei.In der Saison 2017/18 wagte der 45-jährige Dresdner ein besonderes Experiment und verfolgte die 17 Heimspiele von Dynamo Dresden statt im Heim- im Gästeblock. Die Erlebnisse aus dieser Zeit hat Leuthold nun auf 171 Seiten in 19 Kapiteln niedergeschrieben. Herausgekommen ist dabei das lesenswerte Taschenbuch „Auswärts alle asozial – ein Jahr im Gästeblock des Dynamo-Stadions“, das ab sofort bei Amazon sowie direkt beim Autor selbst erhältlich ist.
Im Interview verrät Leuthold, der sich über die Dresdner Stadtgrenzen unter dem Pseudonym „Spuckelch“ mit seinen humoristischen Kolumnen längst einen Namen gemacht hat, warum er eine Saison lang „fremdgegangen“ ist, welche Herausforderungen er bei der Arbeit am Buch zu meistern hatte, welche Momente mit sowie bei den gegnerischen Fanszenen ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind und warum nicht nur Dynamo-Fans sein Werk lesen sollten.
Uwe, du bist in der Dynamo-Fangemeinde für deine feine Feder bekannt. Woher kommt dein Talent zu schreiben?
Das muss mir in die Wiege gelegt worden sein (lacht). Ich habe das ehrlich gesagt nie bewusst geübt. Es gibt aus meiner Schulzeit eine lustige Anekdote: Wir haben im Unterricht einen Aufsatz begonnen, den wir dann am Nachmittag als Hausaufgabe fertigstellen sollten. Das habe ich aber nicht gemacht und am nächsten Tag, als wir die Texte vortragen mussten, ab dem Punkt, wo ich aufgehört hatte zu schreiben, so getan, als würde ich vorlesen, mir aber einfach etwas ausgedacht. Und es hat funktioniert, denn die Lehrerin war zufrieden mit meinem Aufsatz.
{media-left}Wie skizzierst du den Inhalt des Buches in wenigen Worten einem Menschen, der sich unter diesem Titel nicht ganz so viel vorstellen kann?
Ich habe eine Saison lang die Heimspiele von Dynamo Dresden nicht aus der eigenen Kurve, sondern aus dem Gästeblock verfolgt und dabei 17 verschiedene Fanszenen kennen gelernt. Von 35 Auswärtsfahrern aus Sandhausen bis zu vollen Blöcken wie gegen St. Pauli und den FC Erzgebirge war die gesamte Bandbreite dabei. Und diese Erlebnisse habe ich dann für das Buch aufgeschrieben.
Der Titel deines Buches kommt wie ein ansatzloser Leberhaken daher. Wieso der raue Ton auf dem Cover?
Es ist gar nicht so rau gemeint, wie es vielleicht auf den ersten Blick klingt, sondern vielmehr an den augenzwinkernden und fanszenenübergreifenden Ausspruch „Auswärts sind wir asozial“ angelehnt. Es ist eher eine kleine Provokation, denn: Mit Speck fängt man ja bekanntlich Mäuse. Der Titel soll zum Lesen anregen.
Was war deine Motivation eine Saison im Gäste-Block zu verbringen?
Das erste Mal ist mir diese Idee durch den Kopf geschossen, als ich vor einigen Jahren im schon neuen Rudolf-Harbig-Stadion im B-Block neben der Gästekurve gesessen bin. Es war ein Spiel gegen Aalen oder Ahlen, die mit einer überschaubaren Anzahl an Fans angereist waren und dennoch richtig gute Stimmung gemacht haben. Sowas wollte ich gerne mal hautnah erleben, die Perspektive wechseln. Mit den Jahren hat sich dieser Gedanke dann gefestigt, bis ich ihn nun schließlich umsetzen konnte.
Was war die größte Herausforderung bei der Arbeit an dem Buch?
Die eigenen Emotionen während des Spiels unter Kontrolle zu halten, ich stand schließlich „mitten im Feindesland“ – zumal Dynamo bis zum Ende der Saison um den Klassenerhalt gekämpft hat. Ich durfte und wollte ja nicht auffallen.
{media-right}Wie bist du ins Stadion gekommen?
Dank Dynamo Dresden. Den Verantwortlichen gilt auch an dieser Stelle noch einmal mein großer Dank. Die SGD wusste im Vorfeld von meinem Projekt und hat mich vor der Saison mit einer Arbeitskarte für den Gästeblock ausgestattet, so dass ich diesbezüglich keine Probleme hatte und mein Projekt mit Unterstützung des Vereins umsetzen konnte. Sonst wäre die Entstehung des Buches nicht möglich gewesen. Bei der Arbeit an dem Buch wurde mir aber absolut freie Hand gelassen.
Wie hast du den Gang zum Stadion in Richtung Gäste-Block erlebt?
Es ist mit der Zeit eine neue Routine entstanden, war aber anfangs schon ungewohnt, gegen den Strom der Dynamo-Fans, die sich in Richtung der Heimblöcke aufmachten, zu „schwimmen“.
Hattest du Angst aufzufliegen, wenn es auf den Rängen im Stadion besonders emotional wurde?
Angst nicht. Gegen Sandhausen bin ich aber zum Beispiel tatsächlich aufgeflogen. Das lag daran, dass die Auswärtsfahrer sich aufgrund der geringen Anzahl schlichtweg alle kennen. Und plötzlich war ich als neues Gesicht mit dabei. Auch gegen Bielefeld wurde ich entdeckt.
Wie liefen diese Momente ab?
Beim Sandhausen-Spiel hat der SVS irgendwann das 1:0 geschossen, die Sandhäuser haben sich alle abgeklatscht und ich habe nichts gemacht. Ich kann schließlich nicht bei einem Dynamo-Gegentor jubeln. Da hat sich dann jemand umgedreht und meinte: „Du bist doch keiner von uns, du kommst doch von hier, oder?“ Die Situation war aber wirklich entspannt, ich habe erklärt, dass ich mich für deren Fanszene interessiere und wir haben uns entspannt unterhalten.
Und beim Bielefeld-Spiel?
Da bin ich mit jemandem ins Gespräch gekommen, der aus Bielefeld kommt, aber in Dresden studiert hat, hier "hängengeblieben" ist und eigentlich auch Dynamo-Fan ist, normalerweise eine Dauerkarte im Familienblock mit seinem Sohn besitzt. Gegen seine alte Liebe bringe er das aber nicht übers Herz. Der hatte damit aber natürlich auch kein Problem, dass ich Dresdner bin.
{media-left}Konntest du Vorurteile über Auswärtsfans abbauen, oder haben sich die meisten Klischees bei dem Selbstversuch als „Spion“ im Gäste-Block bestätigt?
Ich hatte tatsächlich gar keine wirklichen Vorurteile. Höchstens, dass es dort etwas rabiater zu geht, als ich es mitbekommen habe. Ein einziges Mal habe ich etwa erlebt, dass die Toilette im Gäste-Bereich des Stadions demoliert wurde. Damit hätte ich ehrlich gesagt öfter gerechnet.
Welchen Ruf genießt Dynamo bei den Gäste-Anhängern im Rudolf-Harbig-Stadion?
Die allermeisten sind von der Stimmung und den Dynamo-Fans wirklich angetan. Häufig hörte man auch, dass die 2. Bundesliga, was das angeht, eigentlich unter unserem Niveau sei. Ex-Capo „Lehmi“ war rund um seinen Abschied Ende 2017 als Vorsänger auch bei vielen Gäste-Fans oftmals Thema.
Du sprichst in deinem Buch vom Erfolgsbeitrag der Fans. Was machen die Spiele ohne Zuschauer deiner Meinung nach mit dem nackten Produkt Fußball?
Ich kann da nur aus meiner persönlichen Sicht kommentieren, da aber bin ich ganz ehrlich: Ich verliere ein Stück weit das Interesse. Die fehlende Stimmung, diese Freundschaftsspiel-Atmosphäre in den leeren Stadien bricht mir wirklich das Herz.
Warum sollten nicht nur Dynamo-Fans dieses schöne Buch von dir unbedingt lesen?
Weil es insgesamt ein Einblick ist, dass wir alle zwar in den Farben getrennt, in der Sache aber vereint sind sowie mit und für den eigenen Verein leiden. Außerdem wartet das Buch mit Fankultur auf, transportiert die Stimmung aus der Kurve, die es aktuell ja leider nicht geben kann, ins heimische Wohnzimmer.
Dann ist das Erscheinungsdatum vielleicht dann doch ganz gut gewählt, weil die Sehnsucht bei allen groß ist. Was kostet das Buch und wo ist es erhältlich?
Es kostet 9,90 Euro und ist derzeit bei Amazon erhältlich oder direkt über mich.
Deine Kolumnen als “Spuckelch” sind beliebt bei deinen Leserinnen und Lesern. Womit verdienst du im Alltag dein Geld?
Ich arbeite in einer Kommunikationsagentur als PR-Berater und mache letztlich Werbung, auch wenn das meine Kolleginnen nicht gern hören werden, wenn ich es so ausdrücke. (lacht)
{media-right}Gibt es schon weitere Ideen für ein neues Buchprojekt?
Aktuell nicht. Ich möchte mich erst einmal wieder intensiver meinen Kolumnen widmen, die ich in letzter Zeit ehrlich gesagt etwas schleifen lassen habe.
Was wirst du zuerst tun, wenn du als Fan wieder ins Stadion gehen darfst?
Mich auf dem Weg zu „Ackis“ mit meinen Freunden treffen, schreien, Bier trinken und das Stadionerlebnis genießen.
Und die wichtigste Frage zum Schluss. Hat deine Liebe zu Dynamo während der Pandemie im zurückliegenden Jahr gelitten?
Sie ist auf jeden Fall nicht weg, vielleicht aber ein Stück weit eingeschlafen. Man lebt aktuell etwas aneinander vorbei. Ich hoffe sehr, dass die Leidenschaft schon bald wieder entfacht wird.
Danke dir für das interessante Gespräch, Uwe, und weiterhin viel Erfolg bei den Verkäufen deines unterhaltsamen Buches.
Ihr wollt selbst einen Blick in das Werk "Auswärts alle asozial - ein Jahr im Gästeblock des Dynamo-Stadions" werfen? Dann bestellt das Buch entweder direkt per Mail bei Uwe Leuthold via spuckelch@gmail.com oder
online bei Amazon<span class="external-link-new-window">.Viel Spaß beim Schmökern!
Fotos: Uwe Leuthold
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