Lutz Siebeneichler ist seit Jahrzehnten eingefleischter Dynamo-Fan, seit vielen Jahren Dauerkarteninhaber im Block E3 und gehört mit seiner Frau Uschi zur „Reisegruppe Antalya“, die der SGD unter normalen Umständen jede Spielzeit in die Sommer- und Wintervorbereitungscamps nachreist.Wir haben uns mit dem 58-jährigen Dachdecker aus Thallwitz zum Telefoninterview verabredet, um uns mit ihm über die momentan schwere Zeit als Fußballfan in der Corona-Krise zu unterhalten.
Dabei redet der SGD-Anhänger unter anderem über die große Sehnsucht nach der Rückkehr ins Stadion, die fehlende Nähe zur Mannschaft und seinen frisch ausgebauten Hobbyraum in Form einer Garage, die mit allerlei schwarz-gelben Erinnerungsstücken gespickt ist.
Wann warst du zum letzten Mal in einem Fußballstadion, Lutz?
Das war im vergangenen Oktober gegen Zwickau im Rudolf-Harbig-Stadion, als noch eine begrenzte Zahl Zuschauer dabei sein durfte. Natürlich war ich erst einmal sehr froh, überhaupt im Stadion sein zu können, aber das Stadionerlebnis an sich war natürlich nicht so, wie es sein sollte.
{media-left}Wie hast du das letzte „richtige“ Stadionerlebnis in Erinnerung?
In guter, weil wir da fast auf den Tag genau vor einem Jahr mit 2:1 zuhause gegen den Schacht gewonnen haben. (lacht) Dementsprechend groß war natürlich die Euphorie, auch schon vor dem Spiel. Das macht das Stadionerlebnis für mich aus. Du stehst im Stadion, siehst die ganzen Kumpels im Block E3 und freust dich auf das Spiel und die bombastische Stimmung.
Was fehlt dir in deinem Leben als Fan gerade, wenn du das zurückliegende Jahr betrachtest?
Am meisten fehlen mir die Kontakte, die man rund um den Fußball aufgebaut und gepflegt hat. In der jetzigen Situation ist Fußball natürlich eigentlich zweitrangig, aber das Zusammenkommen und dieses gemeinsame Erlebnis fehlt schon sehr.
Mit welchen Traditionen musstest du in den vergangenen Monaten brechen, weil sie schlichtweg nicht mehr möglich waren?
Die Heimspiele und Treffen in der Torwirtschaft, die Auswärtsfahrten samt der detailreichen Vorbereitungen, wie auf den Punkt gekochte Sechs-Minuten-Eier oder die Thallwitzer Pfefferbeißer als Reiseproviant. Dazu mussten wir unsere traditionelle Fahrt ins Tainingslager im Winter ausfallen lassen, weil schlicht keines stattgefunden hat. Da gibt es viele liebgewonnene Sachen und Traditionen, die momentan wegfallen. Da leidet das Herz eines Fans natürlich.
{media-right}Wie viele Jahre reist du mit deiner Frau Uschi bereits zu den Trainingslagern der Sportgemeinschaft?
Wir waren zum ersten Mal im Lauftrainingslager in Zinnowitz im Jahr 2012 unter Cheftrainer Ralf Loose dabei, aber dass es dann so regelmäßig wurde, entstand ein Jahr später eher durch Zufall. Ich stand gerade bei der Arbeit auf einem Dach und bekam einen Anruf von einem Freund aus Altenburg, den ich bei einem Freundschaftsspiel in Meuselwitz kennengelernt hatte. Der fragte mich, ob ich Lust hätte, im Januar für zehn Tage mit ins Trainingslager in die Türkei zu fahren. Da habe ich spontan einfach mal zugesagt und ihm geantwortet, dass er die zwei Plätze für meine Frau und mich buchen kann. So ging das ganze Abenteuer damals los.
Wie habt ihr in diesem Winter Kontakt zu euren Weggefährten der Trainingslager-Reisegruppe gehalten?
Wir stehen in ständigem Austausch und Kontakt über diverse WhatsApp-Gruppen und es fanden auch schon einige Videokonferenzen statt. Es gab sogar einen Überraschungsbesuch von den Leuten aus Hamburg, die sich vorher extra testen lassen haben und mit dem negativen Ergebnis im Gepäck hierherkamen. Ganz liebe Grüße von mir und meiner lieben Frau Uschi an dieser Stelle an die gesamte ‚Reisegruppe Antalya‘.
Momentan seid ihr, wie alle anderen Dynamo-Anhänger, Fans auf Distanz. Wie fühlt sich das an?
Es ist extrem schwierig. Das fängt schon damit an, überhaupt die Spiele verfolgen zu können. Wir haben beispielsweise kein Magenta sondern nur Sky. Da sind wir froh, wenn der MDR überträgt. Dann schaut man sich die Spiele steif vor dem Fernseher an und fühlt sich so ein bisschen an die DDR-Zeiten erinnert. Der Wunsch, wieder ins Stadion zu dürfen, ist unglaublich groß.
{media-left}Wie weit ist der Verein deiner Meinung nach durch die Situation in den letzten 12 Monaten von den Fans weggerückt?
Also von unserer Seite her ist der Verein nicht weggerückt. Allgemein finde ich die Frage aber durchaus berechtigt, inwiefern sich der Fußball vom Fan entfernt. Die Gefahr ist in meinen Augen auf jeden Fall da. Die Pandemie hat die ganze Misere der Entwicklung des Profi-Fußballs offenbart. Dabei rede ich jetzt mehr von der Bundesliga, wo Vereine teilweise mehrere hundert Millionen Euro Schulden haben. Es kann doch nicht sein, dass durch Wahnsinnsgehälter und dubiose finanzielle Konstrukte Luftschlösser aufgebaut werden, die in einer Krise schon nach wenigen Wochen in sich zusammenfallen. Wenn man in seinem privaten Umfeld so dubios wirtschaften würde, dann bekäme man ganz andere Probleme.
Man kann nicht ins Stadion oder zum Training. Wie sehr fehlt auch der Kontakt zur Mannschaft?
Auch der fehlt enorm. Wir hatten beispielsweise vor, als eine Art Kompensation für das wegfallende Wintertrainingslager, uns mal in kleiner Gruppe im Trainingszentrum zu treffen, um den Jungs zu zeigen, dass wir da sind und sie aus der Ferne unterstützen. Und auch um uns für die Leistung zu bedanken, die sie im Moment abrufen. Aber das ist unter den momentanen Bedingungen einfach nicht möglich gewesen.
Das Dynamo-Fanherz hat in den letzten Jahren im Abstiegskampf der 2. Bundesliga viel gelitten. Ausgerechnet jetzt, wo die Mannschaft Erfolg hat und sich jedes Spiel reinhaut, darf keiner dabei sein. Wie bewertest du die Leistungen der Kauczinski-Schützlinge?
Unser Verein lässt uns jetzt wieder träumen und die Mannschaft macht uns richtig viel Freude. Umso trauriger ist es, das Ganze nicht in vollen Zügen genießen zu können.
{media-right}Seit wie vielen Jahren hast du eine Dauerkarte?
Die Jahreskarte habe ich seit der Saison 2008/09, als das Stadion im Umbau war. Und ich wünsche mir sehr, wenn ich das an dieser Stelle sagen darf, dass der Verein bald eine Geister-Jahreskarte auflegt, damit die Sammlung komplett bleibt und der Verein weiter finanzielle Unterstützung in dieser schwierigen Zeit erfährt. Hier fehlt mir persönlich bisher ein entsprechendes Angebot.
Wann glaubst du, wirst du das nächste Mal wieder im RHS auf deinem Sitz direkt hinter der Gäste-Trainerbank Platz nehmen können?
Puh, also wann es wieder losgeht – keine Ahnung. Die Sehnsucht ist auf jeden Fall sehr groß. Ich hoffe natürlich, dass die Jungs bis zum Ende genauso erfolgreich durchziehen und wir dann den Aufstieg im Stadion oder sonst irgendwie zusammen feiern können.
Was ist das Erste, was du machst, wenn du wieder ins Stadion kannst?
Ich freue mich besonders auf mein Fischbrötchen und darauf, in der Torwirtschaft die ganzen Kumpels wieder zu treffen.
{media-left}Du hast die Pandemie genutzt, um deinen dynamischen Hobbyraum auszubauen. Wie kam es dazu?
Das hat Corona in die Wege geleitet. (lacht) Es gab da einen kleinen Arbeitsstau. Über viele Jahre hat meine Frau immer gesagt, dass wir im Innen- und Außenbereich noch was machen müssen. Und da wir jetzt durch die Pandemie mal ein bisschen mehr Freizeit haben, habe ich mir die Garage und den Keller vorgeknöpft. Ohne mich selber zu sehr loben zu wollen, ist mir das, wie auch meine Frau findet, sehr gut gelungen.
Dort hängen und stehen richtig schöne Teile aus der Geschichte der SGD. Wann hast du mit deiner Sammlung angefangen?
Damit müsste ich ungefähr so um die Wende herum begonnen haben. Da sind auch einige Sachen aus DDR-Zeiten dabei. Peu à peu kamen dann über die Jahre immer mal wieder neue Stücke dazu.
Du hast auch sehr viele persönliche Erinnerungsstücke, die teils von Spielern signiert und geschenkt wurden. Was ist dein wichtigster Fanartikel in deiner Garage?
Schwer zu sagen. Die Torwarthandschuhe von Patrick Wiegers, Kevin Broll, Tim Boss und Markus Schubert sind für mich schon etwas Besonderes, weil wir mit denen auch im Kontakt stehen. Ich habe ‚Schubi‘ mal ein Foto davon geschickt und gesagt, dass die Handschuhe unbedingt noch signiert werden müssen. Da hat er mir versprochen, dass er Mal vorbeikommen wird.
Vielen Dank für das Gespräch, Lutz. Auf dass wir dich und alle anderen Dynamo-Fans hoffentlich bald wieder im Stadion begrüßen dürfen.
Interview: Henry Buschmann & Marcel Devantier
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